Das BAG hat am 23.5.2013 (2 AZR 120/12) entschieden, dass die Anordnung von Untersuchungshaft eine personenbedingte Kündigung nur dann rechtfertige, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar sei, durch vorübergehende Maßnahmen die Zeit bis zur Rückkehr des Arbeitnehmers zum Arbeitsplatz zu überbrücken. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn dem Arbeitnehmer eine mehr als zweijährige Haftstrafe drohe.

Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Arbeitnehmer musste im Jahre 2008 für einen Monat wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft. Im Anschluss daran wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
Im September 2010 wurde der Arbeitnehmer erneut wegen des angeblichen Betriebs einer “Haschisch-Plantage” festgenommen und vorläufig inhaftiert.
Der Arbeitgeber forderte daraufhin den Arbeitnehmer auf, zum Sachstand der Untersuchungshaft Stellung zu nehmen. Dem Arbeitgeber wurde daraufhin von Arbeitnehmerseite im Oktober 2010 mitgeteilt, dass ein Ende der Inhaftierung im Moment nicht absehbar sei.
Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis ordentlich.

Im Februar 2001 schließlich wurde gegen den Arbeitnehmer rechtskräftig eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Das BAG wies die gegen die Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage als unbegründet zurück.

Und zwar aus folgenden Gründen:

Die streitgegenständliche Kündigung sei aus personenbedingten Gründen gerechtfertigt.

Voraussetzung einer Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung sei, dass der Arbeitnehmer aller Voraussicht nach für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein werde, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Maßgebend sei insoweit eine objektive Prognose im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach dem Kündigungsausspruch hingegen könne nur in Grenzen Berücksichtigung finden.
Grundlage der Prognose müsse nicht zwingend eine bereits erfolgte strafrechtliche Verurteilung sein. Der Arbeitgeber müsse vielmehr alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen und insbesondere auch dem Arbeitnehmer diesbezüglich Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Ferner sei zu prüfen, inwieweit es dem Arbeitgeber zumutbar ist, für die Zeit des prognostizierten haftbedingten Arbeitsausfalls Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen. Eine derartige Prüfung sei lediglich dann entbehrlich, wenn dem Arbeitnehmer eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren drohe. In einem solchen Fall sei es dem Arbeitgeber nämlich regelmäßig nicht zumutbar, eine Aushilfskraft einzustellen, da die Möglichkeit der sachgrundlos befristeten Einstellung gesetzlich für den Zeitraum von 24 Monaten begrenzt ist.

Im vorliegenden Fall befand sich der Arbeitnehmer bei Zugang der Kündigung bereits mehrere Wochen in Untersuchungshaft. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu einer Klärung des Sachverhalts gegeben und von ihm die Auskunft erhalten, dass ein kurzfristiges Ende der Inhaftierung nicht absehbar sei. Vor dem Hintergrund der bereits früher erfolgten Verurteilung auf Bewährung sei insoweit die objektive Prognose gerechtfertigt, dass der Arbeitnehmer mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen habe, die auch nicht nochmals zur Bewährung ausgesetzt werden konnte.

Dieses Urteil des BAG verdeutlicht, dass der Ausspruch einer personenbedingten Kündigung wegen der (vorläufigen) Inhaftierung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber eine kitzlige Angelegenheit ist, da das BAG dem Arbeitgeber letztlich das volle Risiko einer etwaigen Fehleinschätzung hinsichtlich der strafrechtlichen Beurteilung des Verhaltens des Arbeitnehmers und des möglichen Fortganges des Strafverfahrens aufbürdet.
Ist es dem Arbeitgeber nicht möglich, darzulegen, dass im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Anhaltspunkte für eine langwierige Verurteilung vorlagen, ist die ausgesprochene Kündigung selbst dann unwirksam, wenn später tatsächlich eine Verurteilung des Arbeitnehmers erfolgt.
Andererseits wirken sich im Laufe des Strafvollzugs auftretende Hafterleichterungen grundsätzlich nicht auf eine einmal in zulässiger Weise ausgesprochene Kündigung aus.